
Im deutschen Zivilrecht kommt es manchmal zu Situationen, in denen die Grenzen zwischen Grundstücken nicht klar definiert sind. Ein solches Szenario nennt sich Grenzverwirrung. Die Regelungen hierzu sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgelegt, insbesondere in § 920. Aber was genau bedeutet das? Und wie wird in der Praxis entschieden?
Gemäß § 920 BGB steht zunächst der Besitzstand im Fokus. Das bedeutet, dass der aktuelle Zustand, wie die Grundstücke genutzt werden und wo gegebenenfalls Zäune oder Pflanzen stehen, zur Klärung der Grenzfrage herangezogen wird. Sollte der Besitzstand nicht feststellbar sein, wird ein gleich großes Stück des umstrittenen Bereichs an jedes Grundstück zugewiesen.
Wie funktioniert die Grenzziehung bei Grenzverwirrung?
Nehmen wir an, zwei Nachbarn, Herr Müller und Frau Schmidt, besitzen nebeneinanderliegende Grundstücke. Über die Jahre haben Hecken und Zäune, die im guten Glauben errichtet wurden, die exakte Grenze unklar gemacht. Nun beschließen die beiden, eine Baugrube anzulegen. Bei den Vorbereitungen stellen sie fest, dass sie sich nicht einig sind, wo die Grenze zwischen ihren beiden Grundstücken verläuft.
In diesem Fall würde zunächst geprüft werden, wie die Grundstücke in der Vergangenheit genutzt wurden. Gab es beispielsweise einen Zaun, der als Grenze galt? Wenn ja, könnte dies als stützender Beweis für den Besitzstand dienen. Falls der Zaun nicht existiert oder nicht eindeutig war, wird jedem der beiden Nachbarn ein gleich großes Stück der streitigen Fläche zugesprochen. Dies könnte bedeuten, dass Herr Müller und Frau Schmidt die Fläche mittig teilen, sodass jeder ein gleich großes Areal bekommt.
Berücksichtigung der Umstände
In manchen Fällen kann eine einfache Teilung nicht die gerechte Lösung sein. Wenn etwa eines der Grundstücke umfangreicher bebaut ist als das andere oder wenn besondere Umstände vorliegen, die eine ungleiche Aufteilung rechtfertigen, kommt § 920 Abs. 2 ins Spiel. Hier wird die Grenze so gezogen, dass sie den ermittelten Umständen und der Billigkeit entspricht.
Zurück zu unserem Beispiel: Falls sich herausstellt, dass Frau Schmidt vor Jahren eine Einfahrt angelegt hat, die das Grundstück etwas vergrößert hat, könnte eine gleichmäßige Teilung als unfair betrachtet werden. In einem solchen Fall könnte ein Richter entscheiden, dass dann Herr Müller weniger Fläche erhält, um der tatsächlichen Nutzung und dem Zustand der Grundstücke Rechnung zu tragen.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass § 920 BGB Rahmenbedingungen für die Streitigkeiten um Grenzverwirrung schafft. Der Fokus liegt hierbei stets auf dem aktuellen Besitzstand und der Ermittlung gerechter Lösungen. Durch diese Regelung wird versucht, die Interessen aller Beteiligten angemessen zu berücksichtigen.