
Das deutsche Erbrecht ist komplex und umfasst viele Regelungen, die es Erben und Bedachten ermöglichen, ihre Ansprüche klar zu definieren. Ein interessanter und oft missverstandener Teil dieses Erbrechts betrifft das Verschaffungsvermächtnis, das in § 2170 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt ist. In diesem Blogartikel werfen wir einen Blick auf dieses Gesetz, erklären es verständlich und illustrieren die Theorie mit einem praktischen Beispiel.
Das Verschaffungsvermächtnis besagt, dass ein Bedachter einen bestimmten Gegenstand, der zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht im Nachlass des Verstorbenen enthalten ist, dennoch erhalten kann. Der Erbe oder ein anderer Verantwortlicher, der als „Beschwerter“ bezeichnet wird, hat die Pflicht, diesen Gegenstand zu beschaffen. In einfachen Worten: Auch wenn etwas nicht Teil des Erbes ist, kann es trotzdem zugewiesen werden, wenn der Verstorbene es so in seinem Testament angeordnet hat.
Wie funktioniert das Verschaffungsvermächtnis?
Die Regelung ist in zwei Absätze unterteilt. Der erste bestimmt, dass der Beschwerte den Gegenstand zu verschaffen hat, falls dieser zu einem früheren Zeitpunkt zum Erbe gehörte oder Teil des Erbes sein sollte. Der zweite Absatz bietet eine Art Sicherheitsnetz für den Beschwerde, indem er festlegt, dass, wenn die Beschaffung des Gegenstands unmöglich ist, stattdessen dessen Wert zu zahlen ist. Dies gilt auch, wenn die Beschaffung des Gegenstands mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre.
Um die Regelung besser nachvollziehen zu können, betrachten wir ein Beispiel. Stellen wir uns vor, Hermann hat in seinem Testament festgelegt, dass seine Sammlung seltener Briefmarken an seinen Neffen Max gehen soll. Zu Hermanns Todeszeit war diese Sammlung jedoch nicht mehr in seinem Besitz, weil er sie vorher verkauft hatte. Laut § 2170 BGB muss Hermann’s Erbe, der die Verantwortung für das Testament trägt, dem Max diese Briefmarkensammlung beschaffen, auch wenn sie nicht zum Nachlass gehört.
Was passiert, wenn die Beschaffung scheitert?
Falls der Erbe nicht in der Lage ist, die Briefmarkensammlung zu beschaffen, könnte er stattdessen den Wert der Sammlung an Max auszahlen. Dies bedeutet, dass Max zwar nicht die Briefmarken selbst erhält, aber dennoch den finanziellen Wert, den die Sammlung zum Zeitpunkt des Verkaufs hatte. Handelt es sich um eine Sammlung mit erheblichem Wert, kann dies für alle Beteiligten eine faire Lösung darstellen.
Eine mögliche Situation könnte sein, dass der Erbe herausfindet, dass die Sammlung nach dem Verkauf extrem an Wert gewonnen hat, und die Rückbeschaffung der Sammlung unglaublich teuer wäre. In diesem Fall könnte der Erbe sich entscheiden, Max einfach den Geldwert der Briefmarkensammlung zu zahlen, um die Verpflichtungen des Vermächtnisses zu erfüllen. So wird auch deutlich, dass § 2170 BGB eine gewisse Flexibilität und Fairness in der Nachlassverteilung gewährleistet.
Zusammengefasst regelt § 2170 BGB, was passiert, wenn ein in Testament beauftragtes Vermächtnis nicht im Nachlass enthalten ist. Es ermöglicht eine faire Entschädigung, wenn die Beschaffung des Gegenstands nicht möglich ist. So schützt das Gesetz nicht nur die Ansprüche des Bedachten, sondern bietet auch eine Lösung für den Erben, um seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen.