
Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) enthält viele Regelungen, die für das rechtliche Miteinander von Bedeutung sind. Eine dieser Regelungen ist der § 2159, der die Selbständigkeit der Anwachsung beschreibt. Auf den ersten Blick kann dieser Paragraph etwas kompliziert erscheinen. Doch bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass er eine wichtige Rolle im Erbrecht spielt, insbesondere wenn es um Vermächtnisse geht.
Um zu verstehen, was dieser Paragraph bedeutet, schauen wir uns zunächst an, was unter Anwachsung zu verstehen ist. Anwachsung tritt ein, wenn ein Vermächtnisnehmer wegfällt. Dies geschieht zum Beispiel, wenn der Vermächtnisnehmer vor dem Erblasser verstirbt oder das Vermächtnis ablehnt. In solchen Fällen sind die Vermächtnisse sehr oft nicht einfach verloren. Stattdessen kann der Anteil des wegfallenden Vermächtnisnehmers an einen anderen Vermächtnisnehmer anwachsen, sodass dieser den vollen oder zumindest einen größeren Anteil des Vermächtnisses erhält.
Selbständigkeit der Anwachsung verstehen
Gemäß § 2159 BGB wird klargestellt, dass der Anteil, der durch Anwachsung an einen Vermächtnisnehmer fällt, als besonderes Vermächtnis gilt. Dies bedeutet, dass der neuerliche Vermächtnisnehmer genau die gleichen Rechte und Pflichten in Bezug auf dieses Vermächtnis hat, wie der ursprüngliche Vermächtnisnehmer. Es wird also nicht einfach nur ein Teil des bereits bestehenden Vermächtnisses übertragen, sondern ein eigenständiges, neues Vermächtnis entsteht.
Das hat praktische Konsequenzen. Nehmen wir an, es gibt ein Erbe, in dem mehrere Vermächtnisse verteilt werden. Wenn Vermächtnisnehmer A verstirbt und einen Anteil an einem bestimmten Vermächtnis hinterlässt, wird dieser Anteil nicht einfach auf Vermächtnisnehmer B übertragen. Stattdessen erhält B ein „besonderes Vermächtnis“, das ihm allein, unabhängig von den anderen Vermächtnissen, zusteht.
Ein Beispiel zur Veranschaulichung
Stellen Sie sich vor, ein Erblasser hinterlässt in seinem Testament mehrere Vermächtnisse: Vermächtnisnehmer A soll ein Grundstück erhalten, während B einen Geldbetrag von 10.000 Euro bekommen soll. Nun verstirbt A vor dem Erblasser. Nach § 2159 würde der Anteil von A an dem Grundstück nicht einfach an B weitergegeben, sondern B würde ein neues, eigenständiges Vermächtnis hinsichtlich des Grundstücks erhalten. Damit hat B nun die Autonomie und die Verantwortung in Bezug auf dieses Grundstück.
Wenn es zu Beschtigungen oder Auflagen kommt, die das Grundstück betreffen, so ist B für diese neuen Bedingungen zuständig. Deswegen ist es entscheidend, dass sowohl Laien als auch Anwälte diesen Aspekt der Anwachsung erkennen. Es gestaltet die Vermögensübertragung im Erbfall wesentlich komplexer und eröffnet Möglichkeiten, die im Nachlassmanagement berücksichtigt werden müssen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass § 2159 BGB eine klare und präzise Regelung bietet, die die Rechte von Vermächtnisnehmern in Fällen von Anwachsung schützt. Diese Regelung trägt dem Bedürfnis Rechnung, dass jeder Vermächtnisnehmer in Bezug auf sein Vermächtnis umfassend informiert und abgesichert ist. Auch wenn er auf einen anderen Vermächtnisnehmer trifft, behält er stets seine Verantwortung und Rechte. Dies ist besonders wichtig und sollte bei testamentarischen Regelungen immer bedacht werden.